Eine Premiere im Abaton Kino

oder: Ist es möglich in einem nicht-barrierefreien Raum ohne Vorwürfe über Inklusion zu sprechen?

Ich besuchte die Hamburg-Premiere eines Films, in dem ein rollstuhlfahrender Schauspieler eine der beiden Hauptrollen spielt. Das Abaton-Kino ist nicht barrierefrei. Der Hauptdarsteller spielt einen jungen Mann mit Muskeldystrophie, einer Krankheit die fortschreitet und häufig zum Tode durch Aussetzen der Herz- oder Atemtätigkeit führt. Neben der Auseinandersetzung mit dem Tod geht es auch um die Darstellung eines Assistenz-Verhältnisses, das es dem Protagonisten ermöglicht möglichst autonom über sein Leben zu bestimmen.

180422 Abaton Eingang

In dieser Situation befinden sich einige Menschen aus meinem Bekanntenkreis: lebenslang auf Assistenz angewiesen sein, damit sie ein selbstbestimmtes Leben führen können. Dieser Film wäre also interessant für sie. Viele dieser Menschen leben in Elektrorollstühlen, die sehr schwer sind. Es ist also nicht möglich, sie mal eben über ein paar Stufen zu heben. Sogar mein Freund x, dessen Sohn y in einem leichten Rollstuhl (ohne Elektromotor) sitzt, stöhnte bei dem Gedanken, seinen mittlerweile erwachsenen Sohn über die im Abaton eingebauten Barrieren befördern zu müssen, denn ursprünglich hatten wir vorgehabt, den Film gemeinsam zu sehen, Sohn y hatte dann aber etwas anderes vor.

Nach dem Film fragte ich bei der Publikumsdiskussion, warum der Film, der sich mit einem Assistenzverhältnis befasst, in einem Kino Premiere hat, das den meisten Menschen mit Assistenzbedarf nicht aufsuchbar ist. Ich hätte mich gerne mit der Filmemacherin und der Produzentin darüber öffentlich und unaufgeregt unterhalten. Der Kinobetreiber reagierte jedoch sofort auf den von ihm wahrgenommenen Vorwurf der mangelnden Barrierefreiheit des Abaton – mit dem Hinweis, dass sich das Kino in einem alten Haus befinde und jedem Menschen mit Behinderung zur Seite stehen würde, der gerne einen Film im Abaton sehen möchte. Der Hauptdarsteller und eine andere Person im Rollstuhl wären schließlich auch reingekommen. Am nächsten Tag besuchte ich das Abaton noch einmal mit „Aktivistenbrille“ und der Frage, wo ich als Rollstuhlfahrer*in Hinweise darauf finde, ob und wie ich ins Kino kommen könnte. Am Gebäude und auch im Programmheft finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass sich innerhalb des Gebäudes hilfsbereite Menschen befinden, die darauf warten, mir ins Kino zu helfen. Die Programmhefte liegen jedoch in einem vom Rollstuhl aus erreichbaren Kasten.

180422 Abaton Kasten niedrig

Auf Wikipedia lernte ich, dass der Name „Abaton“ griechisch ist und für „Das Unzugängliche“ steht. Auf der Website findet sich ein Hinweis unter „Preise, Telefon, Zeiten…“, der Hilfe beim Überwinden der Stufen im Eingang anbietet und darum bittet, sich telefonisch anzumelden, wenn man diese Hilfe in Anspruch nehmen möchte. Aus meiner Sicht ist das in Zeiten von Inklusion und besonders vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention nicht ausreichend für ein Kino, das das erklärte Premierenkino für öffentlich geförderte Filme ist. Menschen im Rollstuhl werden strukturell von diesen Kulturereignissen ausgegrenzt. Um nicht den Eindruck zu erwecken, das Abaton an den Pranger stellen zu wollen, möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Abaton zB. eine Anlage für Audiodeskription angeschafft hat, damit sehgeschädigten Menschen ein Kinoerlebnis ermöglicht wird. Ein Bewusstsein für die besonderen Anforderungen behinderter Menschen ist offenbar vorhanden. Es muss also eine Verknüpfung verschiedener Sachzwänge und Notwendigkeiten sein, die zu dieser unhaltbaren Situation führt. Dieses zu ergründen setzt sich UTE zum Ziel!

 

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